Eine Einladung unseres japanischen Händlers Tokyo Wheels, den schwierigsten Anstieg Japans in Angriff zu nehmen, konnte ich nicht ablehnen. Da ich genetisch mit einem schnellen Biorhythmus und einem sehr niedrigen Body-Mass-Index „begabt“ bin, ist das Bergauffahren der Teil des Radfahrens, der mir am meisten Spaß macht. Ich antwortete schnell: Herausforderung angenommen!

Berg Fuji – Azami-Linie

Der Fuji ist der höchste Berg Japans. Die Azami-Linie wurde 2008 als Einzelzeitfahren in die Japan-Rundfahrt aufgenommen und ist eine der Möglichkeiten, dieses Biest zu besteigen. Es ist nicht die längste oder gar höchste Route zum Fuji, aber sie ist bei weitem die steilste. Nachdem wir den Profis beim Bewältigen des Anstiegs zugesehen hatten, mussten wir Amateure auf denselben Straßen ein Rennen miteinander organisieren; ähnlich den Radrennen der Frühjahrsklassiker.

Ruhe vor dem Sturm

23. Juni 2019, ein Sonntagmorgen. Das jährliche „Mount Fuji – Azami Line Race“ steht kurz bevor und ich werde dabei sein. Der Wecker war auf 3:30 Uhr gestellt, damit ich um 4:00 Uhr das Hotel verlassen konnte. Mit kaum mehr als einem Fahrrad und einer kleinen Tasche mit Radsportkleidung war ich bereit, von Masaki, unserem japanischen Freund vom Fahrradladen Tokyo Wheels, abgeholt zu werden. Vor dem 7-Eleven wurde ich für eine 1,5-stündige Fahrt zum Fuße des Fuji abgeholt.

Als wir gegen 6:30 Uhr am Fuße des Fuji ankamen, war der Parkplatz mit etwa 300 Fahrern gefüllt, die alle eines gemeinsam hatten: Sie sahen alle sehr fit und schlank aus. Die meisten von ihnen fuhren auf der Rolle, um sich auf den Start vorzubereiten, und es fühlte sich sehr ähnlich an wie ein Cyclocross-Event in Belgien. Nachdem wir unsere Startnummern befestigt hatten, begann Masaki mit seinem Aufwärmen auf der Rolle und ich wärmte mich auf dem einzigen flachen Straßenabschnitt auf, den ich vor der Startlinie finden konnte.

Es kann nur noch aufwärts gehen

8.00 Uhr: Die Fahrer wurden nach Kategorien und Altersgruppen zum Start aufgerufen. Mit etwa 5 Minuten Abstand hatte jede Kategorie ihren offiziellen Start des Rennens. Am Start machten sich die Fahrer auf den Weg zum 10,6 km langen Rennen. In weniger als einer Stunde bewältigt man 1100 Höhenmeter bei einer durchschnittlichen Steigung von etwa 9,9 %. Für berghungrige Fahrer wie mich ist das das Radsport-Nirvana. Der Azami-Anstieg bringt das Leiden in eine ganz andere Dimension. Auf einigen Abschnitten des Anstiegs, wenn die Steigung auf 20 % oder mehr ansteigt, fühlt es sich nicht mehr wie Radfahren an.

Ein Zen-Erlebnis auf dem Fahrrad

Der erste Abschnitt des Anstiegs ist etwa 3 km lang und verläuft geradeaus ohne Kurven mit einer stetigen Steigung von 7 % bis 12 %. Die meisten Fahrer schalten sofort auf den größten Gang und schalten nicht mehr, bis das Rennen vorbei ist. Bei Kilometer 5 des Anstiegs wird es noch steiler. Die Fahrer fahren im Zickzack über die Straße und wünschen sich, sie hätten einen leichteren Gang. Das Schönste an diesem ganzen Event ist, dass alle schweigend leiden. Während des gesamten Rennens hätte man fast eine Stecknadel fallen hören können; niemand redete oder putzte sich die Nase und es gab kein Geräusch von Kettengeräuschen oder anderen mechanischen Störungen. Durch die Abwesenheit von Zuschauern fühlte es sich fast wie ein wahres Zen-Erlebnis auf dem Fahrrad an; es ist nur ein Kampf zwischen Ihnen und der Straße.

Den Gipfel erreichen

Je näher man dem Gipfel des Anstiegs auf 1880 m Höhe über dem Meeresspiegel kommt, desto nebliger wird das Wetter und die Temperatur sinkt (bei uns auf 8 °C). Erst wenn man die Ziellinie überquert, wird einem klar, dass man Teil eines Rennens ist, denn die Ziellinie und die Zuschauer oben begrüßen einen. Eine Stunde des Leidens in Stille auf einem mythischen Berg wie dem Fuji war die perfekte Abschlussfahrt für unsere Woche in Japan.